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Digitalisierung im Krankenhaus – ein Interview


08. June 2016


Welche Vorteile hat die Digitalisierung für das Gesundheitssystem? Und welche Rolle spielt ein vernetztes Krankenhaus in einer Smart City?

Ich sprach mit einem, der es weiß: Henning Schneider, CIO des Jahres 2015, leitet seit 2012 die IT des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Gemeinsam mit engagierten Kollegen aller Disziplinen, viel Herzblut und einer hocheffizienten technischen Infrastruktur führte der Informatiker das Krankenhaus in die digitale Zukunft – hin zu einem smarten Klinikum mit circa 7.500 PC-Arbeitsplätzen, das als europaweit erstes vollkommen papierlos arbeitet. Im Interview erzählt Henning Schneider, wie das Credo „Wissen – Forschen – Heilen durch vernetzte Kompetenz“ am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf gelebt wird und welcher Schritte es dafür bedurfte.

Patientenfreundlich, ökonomisch, digital - Smart Health setzt auf modernste Vernetzung. (Bild: UKE)

Patientenfreundlich, ökonomisch, digital – Smart Health setzt auf modernste Vernetzung. (Bild: UKE)

Herr Schneider, Sie haben 2008 Ihre Aufgabe als Leiter der medizinischen IT-Systeme und später die Rolle des CIO im UKE übernommen. Welche Situation fanden Sie damals vor?

Henning Schneider: Damals fand ich eine Klinik mit vielen kleinen Insel-IT-Systemen und einem sehr konstruktiven Handbuch vor. Denn der eigentliche Wandel hatte bereits 2004 begonnen. Aufgrund hoher Verluste und einer großen Zergliederung der einzelnen Einheiten war damals ein Perspektivwechsel dringend notwendig. Dieser beinhaltete neben einer konsequenten Vereinheitlichung der Prozesse gleichzeitig die Erkenntnis, dass man als Universitätskrankenhaus nicht alles anbieten muss, sondern sich auf seine Stärken fokussieren sollte und es vor allem der strategischen Zusammenarbeit mit Partnern auf Augenhöhe bedarf – und hier kam die Vernetzung ins Spiel.

Können Sie die Thematik Vernetzung näher erläutern?

Henning Schneider: Wir haben erkannt, dass eine effiziente Zusammenarbeit in einem so komplexen System wie einem Universitätsklinikum nur funktionieren kann, wenn alle Mitarbeiter auf die relevanten Daten zugreifen können, und widmeten uns strategisch unserem universitär geprägtem Leitbild „Wissen – Forschen – Heilen durch vernetzte Kompetenz“. Denn nicht der Patient muss von einer Station zur nächsten gereicht werden, sondern die Informationen.

Was waren Ihre ersten Schritte, um den Grundstein für eine effiziente, technologische Infrastruktur zu legen?

Henning Schneider: Nachdem im Rahmen der Umstrukturierung viele Prozesse bereits standardisiert und vereinheitlicht wurden, galt es für uns, auf dieser Basis ein IT-System zu finden, das am besten zu unseren Prozessen passte – frei nach dem Motto „IT follows Process“.

Gab es dabei ein zentrales Thema, welches es zu Beginn Ihrer Überlegungen zu bewältigen gab?

Henning Schneider: Die Einführung der elektronischen Patientenakte, die Papierberge nicht ergänzen, sondern vollkommen ersetzen sollte. Dabei wurde schnell klar, dass die elektronische Patientenakte alles andere als ein reines IT-Projekt ist, sondern sich durch alle Abläufe des Klinikums zieht. Ein regelmäßiger Austausch zwischen den Disziplinen fand statt, um die Bedürfnisse des jeweils anderen genau zu verstehen. Im Rahmen meiner Lehrtätigkeit war ich immer wieder auf Ärzte getroffen, die zum Teil erst nach drei bis vier Jahren im Job erstmalig einen ITler in ihrem Krankenhaus gesehen hatten. Mir war schnell klar, dass so etwas in einem digital-ausgerichteten, hochmodernen Klinikum nicht sein durfte. Schließlich ziehen sich die Benefits der Digitalisierung durch alle Abläufe und Berufsgruppen.

Welche messbaren Vorteile nehmen Sie heute durch die neue Struktur wahr – menschlich, administrativ und ökonomisch?

Henning Schneider: Eines ist sicher – keiner will zurück. Auch wenn es sicher immer etwas zu optimieren gibt, ist das Feedback grundsätzlich ein sehr positives. Dank der Digitalisierung und schneller, sicherer Datentransfers gehen heute keine Informationen mehr verloren und alles wird nachvollziehbar. Das ist eine wichtige Erleichterung und eine große Zeitersparnis, die vor allem der Sicherheit unserer Patienten zugutekommt. So sind zum Beispiel bei der Wiederkehr eines Patienten bereits seine Informationen, Vorerkrankungen und Allergien bekannt. Es müssen keine Akten erst umständlich aus Archiven abgerufen werden. Und schon bevor Patienten aus anderen Krankenhäusern zu uns überwiesen werden können wir dank telemedizinischer Anwendungen entscheiden, welche Maßnahmen zu treffen sind. Zudem können wir auch Ärzten an kleineren Krankenhäusern in der Umgebung so rund um die Uhr Hilfestellung leisten.

Das klingt nach einer Win-Win-Situation…

Henning Schneider: Ja, so ist es. Behandlungen werden durch die Digitalisierung der Prozesse transparenter und effizienter, wovon natürlich neben dem Patienten auch die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses profitiert. Da Übertragungsfehler praktisch ausgeschlossen sind und weitere Fachleute, wie zum Beispiel unsere Apotheker, direkt in Behandlungsabläufe mit eingebunden werden, haben wir heute eine wesentlich höhere Arzneimittel- und Therapiesicherheit als früher. Damit wächst die Qualität der Behandlung und somit natürlich auch die Nachhaltigkeit, die sie für den Patienten hat.

Welches waren aus Ihrer Sicht die kritischen Erfolgsfaktoren?

Henning Schneider: Wichtigste Voraussetzungen für den heutigen Stand waren neben einem hocheffizienten und sicheren Netzwerk vor allem die Tatsache, dass alle Mitarbeiter an einem Strang ziehen. Als wir mit der Digitalisierung begannen, richteten wir eine Task Force ein. Hier setzten sich regelmäßig in den frühen Morgenstunden die Chefetage – vor allem Ärzte, Apothekenleitung und IT – zusammen. Ein kontinuierlicher Austausch zwischen medizinischem Personal und IT ist unabdingbar, denn es gilt immer wieder zu schauen, in wie fern sich Prozesse und IT verändern und Anpassungen vorzunehmen sind.

Wo sehen Sie noch Herausforderungen?

Henning Schneider: Ich merke immer wieder, wie wichtig es in unserem heutigen Gesundheitssystem ist, den Bürger ganz im Sinne einer Smart City in den Prozess einzubinden, bevor er überhaupt Patient wird. Eine sichere Erfassung und der Austausch aller relevanten Daten sind dafür unabdingbar. Die IT fungiert dabei als wichtiges Bindeglied. Nur mit den vollständigen Informationen zu einem Patienten kann eine optimale, ganzheitliche Versorgung gewährleistet sein. Kooperation ist das A und O. Dabei gilt es viele Weichen zu stellen und es bedarf starker Treiber. Das sind neben den Krankenhäusern, Krankenkassen, niedergelassenen Ärzten und der Politik vor allem natürlich auch die Bürger selbst und wie sie den Umgang mit ihren medizinischen Daten handhaben.

Welche Schritte sind dafür notwendig?

Henning Schneider: Es bedarf vor allem der Aufklärung und Information, insbesondere seitens der Politik. Das eHealth-Gesetz ist eindeutig ein Schritt in die richtige Richtung, aber es könnte noch mehr Tempo geben. Die Forderung nach einer Digitalisierung der Abläufe im Krankenhaus-Sektor – insbesondere der Medikation – sollte eine politische Forderung sein. In diesem Punkt sind uns die Amerikaner mit „Meaningful Use“, einem mehrstufigen Digitalisierungsprogramm, einen Schritt voraus. Investitionen in die IT von Krankenhäusern müssen gefördert werden, damit wir mittels modernster Technologie den größtmöglichen Nutzen für unsere Bürger und Patienten generieren können. Dazu zählen insbesondere gezielte Informationen, Transparenz und Sicherheit. Denn genau das führt letztendlich zu wirtschaftlicher Effizienz und Lebensqualität – ganz im Sinne einer Smart City.

Henning Schneider verantwortet seit 2012 als CIO die IT des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. (Bild: UKE)

Henning Schneider verantwortet seit 2012 als CIO die IT des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. (Bild: UKE)

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