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Dr. Sebastian Saxe spricht über Hamburgs smartPORT

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Hamburg hat den Klügsten: Dass die Hanseaten stolz auf ihre Stadt sind und sie gerne vorzeigen, ist bekannt. Dabei kommen Touristen um ein Highlight nicht herum – den Hamburger Hafen.

In den vergangenen Jahren hat sich der Hafen durch modernste Vernetzung zu einem smartPORT entwickelt. Ein digitales Mammutprojekt, das der Welt zeigt: Wir haben die Digitalisierung verstanden. Mit einer Gesamtfläche von ca. 7200 Hektar und rund 9 Millionen abgefertigten Containern in 2015 gehört er zu den größten der Welt und wächst von Jahr zu Jahr – ohne seine räumlichen Dimensionen dabei zu verändern. Im Interview mit Mirko Bass von Cisco erzählt Dr. Sebastian Saxe, Chief Information Officer (CIO) und Chief Digital Officer (CDO) bei der Hamburg Port Authority (HPA), welche digitalen Meilensteine der Hamburger Hafen bereits erreicht hat, wie ein strukturierter Bebauungsplan den ergriffenen Maßnahmen und der Entwicklung smarter Prototypen konzeptionell vorausging und welches Potenzial er für die Zukunft sieht.

Der Hamburger Hafen zählt zu den größten und in punkto Digitalisierung fortschrittlichsten weltweit. (Bild: Cisco)

Der Hamburger Hafen zählt zu den größten und in punkto Digitalisierung fortschrittlichsten weltweit. (Bild: Cisco)

Herr Dr. Saxe, wie war die Ausgangssituation, die Sie vorfanden, als Sie 2009 Ihre Aufgabe als CIO der HPA übernahmen?

Dr. Sebastian Saxe: Ich habe damals vier Netze von vier unterschiedlichen Herstellern vorgefunden. Diese Netze deckten jedoch jeweils nur Teile des Hafens ab. Wenn ich vom Hafen spreche, meine ich dabei 7200 Hektar – 4200 Hektar Land- und 3000 Hektar Wasserfläche. Mir war schnell klar, dass es für eine erfolgreiche Digitalisierung der Prozesse zunächst einer fundierten technologischen Basis bedurfte. Und dabei ging es vor allem um eine einheitliche Netzversorgung. Ich dachte mir „Man muss an jedem Ort im Hamburger Hafen einen Stecker in die Erde stecken und eine Netzverbindung haben können“. Das ist jetzt natürlich etwas überspitzt formuliert, aber so musste für mich die Topologie eines Netzwerks sein.

Was waren Ihre ersten Schritte, um den Grundstein für eine effiziente technologische Infrastruktur zu legen?

Dr. Sebastian Saxe: Zunächst haben wir zügig die vier bestehenden Netze abgelöst und auf ein Cisco-Netz standardisiert. Mit einem Backbone für die Ausfallsicherheit konnten wir so die Basis für weitere wichtige Digitalisierungs- und IT-Projekte schaffen, auf denen wir jetzt aufbauen können. Neben der Netzwerkstandardisierung waren die Virtualisierung bestehender IT-Verfahren und der Neubau eines redundanten Rechenzentrums wichtige Projekte. Damit waren die Grundvoraussetzungen für weitere Digitalisierungsmaßnahmen – damals sprach man noch von IT-Einsätzen – geschaffen. Konzeptionell habe ich damals eine Art „Bebauungsplan“ der HPA erstellt und mir überlegt, wie die Architektur der HPA IT-technisch bei den Prozessen, den Applikationen und der Hardware auf den genannten drei Ebenen aussieht. So lassen sich zukünftige Entscheidungen leicht einordnen und bedarfsgerecht spiegeln.

 Wie wichtig ist es für Sie als CIO bzw. CDO und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das operative Geschäft und die Prozesse der Hafenlogistik genau zu kennen?

Dr. Sebastian Saxe: Die Prozesse, die hafenlogistischen Zusammenhänge und das operative Geschäft zu kennen, ist von sehr großer Bedeutung. Denn genau diese Bereiche sind es ja schließlich, die durch IT und Digitalisierung effizienter und zu einem neuen Geschäftsmodell entwickelt werden sollen. Dieses Wissen müssen wir uns in der IT sukzessive aneignen. Persönlich hat mir auch mein Mathematikstudium sehr geholfen, da es mir erleichtert, Strukturen zu erkennen und einzuordnen. Intern haben wir den Stab „Geschäftsprozesssteuerung“ eingerichtet und eine Standardisierung festgelegt, so dass alle Geschäftsprozesse in der HPA mit einem Werkzeug aufgenommen werden und gleich modelliert sind. Das erleichtert Prozessmanagement und Konzeption und spart zudem jede Menge Papier.

Welche messbaren Vorteile nehmen Sie heute durch die neue Struktur wahr – menschlich, administrativ und ökonomisch?

Dr. Sebastian Saxe: Durch die geschaffenen Grundvoraussetzungen und eine fundierte Forschungslage waren wir ideal aufgestellt für das, was sich hinter dem Megatrend Digitalisierung und seinen Teilbereichen „Internet der Dinge“, „Big Data“, „Cloud“ und „Mobility“ verbirgt. Gemeinsam mit Partnern wie Cisco haben wir geschaut, wie sich daraus neue Geschäftsmodelle entwickeln lassen. So konnten wir 2015 auf der großen Welthafenkonferenz in Hamburg 21 Projekte, das heißt 21 Prototypen aus dem Bereich „smartPORT logistics“, präsentieren. Dank dieser Prototypen lassen sich die Prozesse des Hafens und seiner Umgebung sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch effizienter gestalten. Darüber hinaus haben wir immer die Verbesserung der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger im Fokus. So sparen zum Beispiel optimierte Verkehrsflüsse jede Menge Zeit und Nerven der Berufskraftfahrer.

Wie viel Überzeugungsarbeit war dafür intern nötig?

Dr. Sebastian Saxe: Neue Prozesse fordern immer ein Umdenken. Natürlich galt es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur zu informieren, sondern sie mitzunehmen auf dem Weg in die digitale Zukunft der HPA. Kontinuierliche Kommunikation anhand konkreter Beispiele war dabei essentiell, um disziplinübergreifend die Vorteile der Digitalisierung zu erläutern. Wichtig war vor allem, dass allen konkreten Business-Cases immer fundierte Forschungsergebnisse und Prototypen zugrunde lagen.

Welches waren die aus Ihrer Sicht kritischen Erfolgsfaktoren, um den heutigen Status zu erreichen?

Dr. Sebastian Saxe: Die Zuarbeit mit Fokus auf die Welthafenkonferenz im Juni 2015 in Hamburg war ein wichtiger Meilenstein. Damals haben wir den Digitalisierungsweg sprichwörtlich einmal durchdekliniert. Die Konferenz stand 2015 für uns unter dem Namen „smartPORT Hamburg“ und wir haben mit den entwickelten Prototypen in den zwei smartPORT-Säulen “smartPORT energy” und ” smartPORT logistics” neue, innovative Projekte vorgestellt, die den Hafen intelligenter, effizienter und auch ökologischer machen.

Wie kann man sich solche Prototypen vorstellen?

Dr. Sebastian Saxe: Ein prominentes Beispiel ist die europaweit erste smartROAD über die Hamburger Kattwykbrücke ebenso wie ein 3D-Modell des Hamburger Hafens. Eine reibungslose Organisation und Steuerung waren dabei für den Erfolg der Projekte von der Ideenfindung bis hin zur Präsentation der Prototypen von großer Bedeutung. Geholfen hat uns auch hier die Spiegelung der digitalen Möglichkeiten an unseren definierten Prozessen. So entstand auch der Titel „Chief Digital Officer (CDO)“, da wir feststellten, dass es hier eine inhaltliche Abgrenzung zum Arbeitsbereich des Chief Information Officer (CIO) gibt. Heute gehören wir im Rahmen der internationalen Digitalisierungsdiskussion zu den führenden Häfen weltweit.

Wo sehen Sie noch Herausforderungen?

Dr. Sebastian Saxe: Im Hinblick auf die digitale Stadtentwicklung besteht die größte Herausforderung darin, die Beteiligten mitzunehmen. Digitalisierung bedeutet schließlich für das Leben, es noch lebenswerter zu machen und für die Wirtschaft, Prozesse besser steuern und Abläufe durch den Einsatz von Technologie noch effizienter gestalten zu können. Dabei dringt die smartCITY heute in alle Lebensbereiche vor: Angefangen beim Haushalt, über die Schule, bis hin zu Senioreneinrichtungen und Häfen. Hier gilt es überall die Beteiligten ins Boot zu holen. Die Digitalisierung ist definitiv eines der Kernthemen, mit denen sich die verschiedenen Städte und Port Authorities weltweit auseinandersetzen. Dabei kommt es darauf an, Ideen zu finden und zu transferieren sowie die Häfen miteinander zu vernetzen. Wir sprechen hier auch von chainPORTs, also Häfen, die eine Informationskette bilden.

Wie sehen Ihre zukünftigen Pläne aus?

Dr. Sebastian Saxe: Wir wollen an die Erfolge der Welthafenkonferenz 2015 anknüpfen und weiterhin intelligente Projekte aufsetzen. Dafür haben wir ein Budget allokiert und
setzen uns im Rahmen der Planung mit vielen hafenrelevanten Themen auseinander. Ein wichtiges Thema ist dabei Augmented Reality. Wir verfügen über ein 3D-Modell des Hamburger Hafens, das die Struktur des Hafens abbildet und eine wichtige Planungs- und Simulationsgröße für künftige Bau- und Konstruktionsmaßnahmen darstellt. So lassen sich auch Verkehrsflüsse gut prognostizieren. Für die Nautische Zentrale ist bereits ein Multitouch-Tisch als Simulationstool für den Groß-Schiffsverkehr im Einsatz. Dr. Sebastian SaxeWeitreichende Entscheidungen werden hier von Experten im Team gefällt. Für diese kooperative Arbeit bieten Touch-Tische die ideale Lösung: dank Multitouch und sogenannten Tangibles lässt sich eine Anwendung parallel und spielend leicht bedienen. Die große Bildschirmfläche eignet sich ideal für kartenbasierte Anwendungen mit georeferenzierten Informationen. Dieses Modell übertragen wir nun auch auf den Katastropheneinsatz. Wir können Überflutungen simulieren und Vorhersagen treffen, für welche Gebiete bei welchen Pegelständen Überflutungen drohen. Für das Port Road Management Center sind wir dabei, auf Basis durch smarte Sensorik gewonnener Daten eine Big Data-Anwendung zu bauen, die eine Verkehrsflussprognose ermöglicht und den Nutzern zur Verfügung gestellt werden soll – das könnte sogar ein neues Geschäftsmodell werden.

 

 

Authors

Mirko Bass

Innovation & Customer Experience

Cisco EMEAR

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1 Kommentare

  1. Gute Stadtentwicklung braucht mehr als nur Buzzwords. Schön zu sehen, dass sich eine Big-Data Firma wie Cisco dahinter setzt und mitzieht. Auch schön, dass es sich hier um realistische Verbesserungen handelt, statt nur um die üblichen “Wir müssen auch mitmachen, haben aber keine Ahnung was zu tun ist”. Dabei ist der Ansatz “Hafen” natürlich ideal. Danke für das Interview. Hamburg ist auch im SmartCityForum auf smartcitynews.global bereits vertreten: https://is.gd/SmartCityNewsHamburg